Lyriktagebuch
Schwierig wie nie
Es werden auch heute noch über das Lieben
Gedichte geschrieben.
Doch einerseits ist jetzt die Welt
so komplex
und andererseits denkt sie nur noch an Geld
und an Macht und an Sex.
Ach! Da ist die Liebe noch einmal so schwierig.
Genau wie die Lyrik.-
27.7.14
Gesichtsbuch nach Wochen
Ich hab` mal wieder reingeguckt -
Facebook hat artig weiter facegebookt.
(Das facebookt halt so vor sich hin,
ob ich nun drin bin oder draußen bin,
das bookt so face, das facet so book,
ob ich nun reinguck` oder nicht reinguck`.)
Ich fand, dann sei ja alles wunderbar -
Worauf ich wieder draußen war.
20.5.14
Ein Leben
Ein Leben mit Menschen aus Fleisch und Blut.
Ein Leben mit echten Freunden, keine falsche Flut.
Ein Leben mit Geheimnissen und Bekenntnismut.
Ein Leben mit Zeit für Kunst und Kultur.
Ein Leben ohne Pixel - Gedanken pur.
Ein Leben auch in Moll, nicht nur in Dur.
Ein Leben mit Holz und Steinen und frischer Luft.
Ein Leben zum Anfassen und mit einem Duft.
Ein Leben als Mensch und nicht in der Gruft.
Ein Leben ohne Facebook.-
18./31.5.14
Für E.
Schlage die Trommel und fürchte dich nicht und küsse die Marketenderin!
Das ist die ganze Wissenschaft. (Heinrich Heine)
Seit wir es miteinander treiben,
Hab' ich viel Stoff zum Schreiben
Und Kraft, aus meinen Sachen
Auch was zu machen!
Das Erste füllt nur meine Schränke,
Wenn ich nicht auch ans Zweite denke.
Das Zweite ist zumeist das Schwerste,
Doch geht’s nicht ohne jenes Erste.
So dank' ich dir voll Freude
Für alle beide:
Den Stoff und auch die Stärke.
Du bist der Engel meiner Werke!-
17.1.14
Die nackte Wahrheit
Sie sagen, dass der Mensch nach Wahrheit dürstet.
Ich glaube, lieber ist sie ihm gebürstet.
Die nackte Wahrheit ist doch vielen allzu nackt.
Die Mehrheit hat sie lieber eingepackt.
Man muss nur unsere Friseure fragen,
Wie Männer allgemein die Haare tragen!
Zwar gibt es manchen, der zu seiner Glatze steht,
Vor allem, wenn es nicht mehr anders geht,
Doch meist beobachtet man bei den Herren,
Dass sie sich gegen kahle Stellen sperren.
„Das Deckhaar bitte länger lassen! Fein!
Der Vorgarten soll nicht so deutlich sichtbar sein!“
Ja ja, so ist es bei fast allen Dingen,
Die uns den Kern zu klar zum Vorschein bringen!
Der nackte Schädel wird doch gern kaschiert.
Die Wahrheit trägt sich viel gefälliger – frisiert!-
25.1.14
Der verhinderte Prophet
R glaubte schon als Kind zu haben
Besondere Prophetengaben.
Auch hing R sehr an seiner Krume
Und dem ererbten Eigentume.
So wuchs R auf zur vollen Reife,
Auf dass R diesen Job ergreife.
Da sprach man: „Jung`, du gehst zuschanden!
Der Kerl gilt nichts in eignen Landen!
Du wirst auf Märkten stehn und schreien -
Du lebst nicht gut vom Prophezeien.
Dein Wunschberuf ist allzu schwierig…“
R dachte: „Schön. Mach` ich halt Lyrik.
Wenn`s schon nichts ist mit dem Prophetsein,
So will ich wenigstens Poet sein.
Denn wer auf alles einen Reim hat,
Gilt sicher viel in seiner Heimat.
Auch füllen handgesägte Verse
Gewiss genugsam meine Börse…“
So ward der gute Mann zum Dichter -
Mal schreibt R schwülstiger, mal schlichter.
R hat tagein, tagaus zu werken,
Was ihn verhindert zu bemerken,
Dass Geld wie Geltung sehr gering ist.
So tut R fröhlich, was sein Ding ist,
Und trägt sein Glück wie einen Orden,
Dass R nicht ein Prophet geworden-!
22.3.14
Anmerkung: R ist eine Kunstfigur.
Lustprinzip
Viagra
gibt es, dass die Lust erblüht.
Die Pille,
dass sie keine Pflichten nach sich zieht.
Kondome,
dass auch sonst kein Schaden draus erwächst.
So wird
fast folgenlos gesext.
Die Technik
frisst den Schaden und die Pflicht.
Allein
dem Papst gefällt es nicht!
4.4.14
Warum BUCHSTABENSUPPE
mein Leibgericht ist
Zunächst schau' ich in Ruh'
Der Suppe zu,
Wie sie so schön im Teller schwimmt.
BUCHSTABENSUPPE
Dann ess' ich U und U.
B CHSTABENS PPE
Und dann ist auch dem A
Der Tod bestimmt.
B CHST BENS PPE
Worauf das H
Sein Ende nimmt.
B C ST BENS PPE
Als nächstes fress'
Ich lustvoll die SS.
B C T BEN PPE
Und beide P'S
B C T BEN E
Und auch die beiden B's.
C T EN E
Sodann ein E (nur eines), denn
Das zweite brauch' ich noch.
C T N E
Gefolgt vom N.
C T E
Lang wehrt sich meist das T.
Ich krieg' es doch.
C E
Was bleibt, das ist CE -
Sprich: Christian Engelken.
CE
Und das bin ich ja dann wohl, wenn
Ich's richtig seh'-?
:-P
Ich steck' die beiden ein
Und nehm' sie mit.
So sind wir denn zu dritt
CE ;-)
Und feiern unser Sein!-
CE
:-)
28.2.14
Über den Abrieb
Die sich nicht reiben,
haben nichts zu geben -
es löst sich
von ihnen nichts ab.
Die nichts zu geben haben,
haben nichts zu sagen -
und plapperten sie auch
das Blaue vom Himmel herab.
Die nichts zu sagen haben,
haben nichts zu schreiben -
ist alles am Ende
nur Papperlapapp…
5.7.14
Doppeldank
an Erich - „Was es ist“ - Fried
Ich danke ihm
für seine
vollkommenen
Gedichte.
Sie machten ihn
unsterblich
und taten der Lyrik
gut.
Ich danke ihm
für seine
vielen
unvollkommenen.
Sie machen ihn
so menschlich
und seinen Nachfolgern
Mut!
28.5.14
Anmerkung: Nach längerem Zögern habe ich „unvergesslich“ durch den klassischen Begriff „unsterblich“ ersetzt, obwohl der Mensch von heute mehr denn je um Schillers Wahrheit weiß: „Auch das Schöne muss sterben!“ (Nänie)
Ein Drittes
Sie sitzen
gegenüber sich,
vom Tisch getrennt.
Sie sagen nichts
und tun doch auch nicht,
was man schweigen nennt.
Denn zwischen ihnen,
da sind alle Worte,
die die Liebe kennt!-
6.7.14
Der Tausendfüßler
Den Tausendfüßler
hat ein Fuß gezwackt.
Da kam der Tausendfüßler
aus dem Takt.
Auf seiner rechten Seite
war die Welt okay.
Doch auf der linken
tat ihm ständig etwas weh.
Fünfhundert Füßchen
haben rechts geklappert,
doch links hat immer eines
nachgetappert -
und schließlich fiel Herr
Tausendfuß in einen Graben!
Was bin ich froh, zwei Füße
und nicht mehr zu haben!
7.11.13
Die Eintagsfliege
Die Eintagsfliege lebte wiederholungsfrei
Ihr ganzes Leben lang:
Ihr Lebensabend war vorbei
Beim ersten Sonnenuntergang.
Ich beneide diese Eintagsfliege sehr:
Für diese Eintagsfliege war
Im Leben alles singulär
Und elementar!
28.8.13
Handyloge unterwegs
Der Handyloge schaute wie gebannt
Auf dieses Ding in seiner Hand.
So lief er durch die City
Und simste an die Kitty.
Er drückte wild darauf herum
Und schaute sich nicht einmal um.
Da lief er gegen die Laterne
Und er sah tausend Sterne!
Wer glaubt, dass ihm ein Licht aufging,
Der kennt sie nicht, die Handylogen!
Er griff nach seinem Drückeding -
Es war jetzt leicht verbogen,
Ein bisschen krumm und ziemlich schief,
Doch das war nicht das Schlimmste -
Worauf er weiter durch die City lief
Und an die Kitty simste...
27.6.13
Gedanken-
Betrachtung
Van Gogh
schnitt sich
ein Ohr ab.
Seinen
Augen
tat er nichts.
Ich gebe
dem Gedanken
Raum in mir.
Für einen
Augenblick
ist alles gut.
15./20.4.13
Anmerkung: Nach zweimonatigem Zusammenleben mit Paul Gauguin kam es Ende 1888 zu einem nie völlig geklärten Vorfall, in dessen Verlauf Van Gogh sich nach einem Streit mit Gauguin einen Teil seines linken Ohres (nach anderer Darstellung: das ganze Ohr) abgeschnitten haben soll, wie Paul Gauguin berichtete. Dieser kommt allerdings auch selbst als Täter in Betracht. Man fand Van Gogh am nächsten Morgen, bewusstlos und geschwächt vom Blutverlust. Gauguin benachrichtigte Van Goghs Bruder Theo und fuhr nach Paris. (nach Wikipedia)
Ein Gedicht
Ein Gedicht muss nicht
gereimt sein.
Ein Gedicht verabscheut
alles Müssen.
Doch es darf.-
Das muss man wissen.-
25.4.13
Nordic Walking mit Hund
Ich leine Dich nicht an den Hosenbund.
Ich weiß, das hätt'st du gern, mein Hund.
Ich leine dich auch eingedenk
Des Risikos nicht an mein Handgelenk.
Du bliebst nur stehn und schnupperst,
Nasenbär,
Was unsportlich und störend wär'.
Vielleicht stellst du mir auch ein Bein
Und wickelst mich in deine Leine ein.
Versteh`, ich treibe wahrlich harten
Sport,
Und Sport - wie jeder weiß - ist Mord.
Mein Bärchen, ich hab' die Idee:
Ich leine dich - ich mein's nur gut, versteh' -
Ganz einfach unten an den rechten Stock.
Dann springst du wie ein Ziegenbock!
So hab' ich Beinfreiheit, werd' dünn,
Und du lernst auch was. Das nennt man
Win-Win!-
21.3.13
Anmerkung: Die Leine sollte nicht zu lang sein.
und Vietnam und - Schweigen!
(nach Erich Fried)
Alle schrieben damals
über Indochina:
Vietnam, Kambodscha, Laos...
Aber wer schreibt über
all die Flüchtlinge,
die jetzt schon fliehen
vor dem großen Klimachaos-?
Jenes tat man einst,
weil's alle taten,
dieses tut man nicht,
weil's keiner tut:
So war's doch immer auf der Erde.
Und weil dieses keiner tut,
erscheint mir jetzt auch jenes
nur noch halb so heldisch.
Ach, die Menschenherde-!
25.6.13
Ein etwas
langer Tag
in Hamburg
(fernöstliches
Gedicht)
1.) Tanka
Erst
am Hafen
Tanker
angeschaut.
Kinder,
das ging
vielleicht
unter die Haut :-)
2.) Haiku
Dann
bei Hagenbeck
der Haikuh
zugeguckt.
Unter der Haut
war's schon voll,
drum hat's keinen
gejuckt ;-)
5./6.1.13
Anmerkungen:
Das Tanka (jap. 短歌, dt. Kurzgedicht) ist eine mindestens 1.300 Jahre alte reimlose japanische Gedichtform (Waka) mit 31 Moren. Sie ist älter als das Haiku, das sich aus dem Tanka entwickelte. Ein Tanka beschwört den Augenblick, hält ihn fest mit Präzision und Musikalität. (laut Wikipedia)
Das oder der Haiku (jap. 俳句, dt. „lustiger Vers“; Plural: Haiku, auch: Haikus) ist eine traditionelle japanische Gedichtform, die heute weltweit verbreitet ist. Das Haiku gilt zusammen mit dem Senryū als die kürzeste Gedichtform der Welt. Formal sind die beiden Formen identisch. Während das Haiku aber mehr der Natur zugewandt ist, befasst sich das Senryū mehr mit dem Persönlichen, dem Emotionalen. (nach Wikipedia)
Bauchgefühle
Manchmal hat man sonderbare Dinge,
Wie zum Beispiel Schmetterlinge
Oder sogar Hubschrauber im Bauch!
Nun, das gibt sich auch.
Hubschrauber sind schwer verdaulich,
Und das ist nicht sehr erbaulich.
Und nach ein paar Tagen
Geht die Liebe wieder durch den Magen!
7.2.13
Mein Haben
Ich fliege nicht,
habe nicht Handy noch Navi,
ich hasse die Netzwerke,
fahr' gern per Zug.
Ich dichte und denke,
ich bin unerreichbar,
das Zwitschern der Vögel
ist Twitter genug.
Ich fotografiere nicht,
meide das E-Book,
mein Anrufbeantworter
ist nicht aktiv.
Ich liebe das Sprachbild,
ich rieche an Büchern,
ich komme nachhause
und schreib' einen Brief.
Ich brauch' keinen Player
(nur manchmal CD),
ja, ich gehe sogar
Ich playe Klavier,
bin ein klassischer Spießer -
ich weiß, dass ich habe,
was jeder gern hätt'!-
30.10.12 (Weltspartag)
Ungehöriges Paar
Gleich
auf den ersten
Blick
war
das Verbindende
zu sehn:
Er war
unanständig
dick,
sie war
fast unverschämt
schön!
28./29.12.12
Kleiner, bescheidener
Wunsch
Ich hab'
mit Umweltgedichten,
Ökoversen,
grüner Lyrik
noch nie
einen Lorbeerkranz
gewonnen,
geschweige
einen Blumentopf!
Ist das
in Ordnung?
Verlange ich
Schnittblumen?
Rosen-?
Keine Blüte
muss sterben
für die Erfüllung
meines kleinen,
bescheidenen
Wunsches!-
16.9.12
Die Unendlichkeit
der Sprache
Jeder Liter Wasser,
den ich trinke,
höre ich,
floss dreimal schon
durch einen Leib.
Und es kommt mir
wie ein Wunder vor,
als ich's
mit meinen Worten
ins Notizbuch schreib'!
16./17.9.12
Der Hamster
(Im Laufrad,
3. Jtsd. n. Chr.)
Ich trete
auf der Stelle,
drehe mich
im Kreis.
Wann lern' ich
wieder,
still zu stehn?
Wann hör' ich auf,
mich um mich selbst
zu drehn?
Mein Leben ist
zum Punkt geworden.
Aber wenn ich
stehen bleib',
so werd' ich
viele andre
Punkte sehn
und kann von meinem
ruhig hin
zu ihnen gehn!-
15.9.12
Anmerkung: Anklänge an einen "Panther" sind rein unzufällig.
Ballade g-Moll op. 23 Nr. 1
Weiß einer von uns mehr als jener?
Er sagte alles einfach schöner.
Ist denn seit damals nichts geschehen?
Die Welt muss eben weiter gehen.
Wie passt das in ein kurzes Leben?
Es könnt' ihn heute nicht mehr geben.-
9.9.12
Internessie.
Ein Nasenzeugenbericht
Er hatte auch den Hals nicht voll
gekriegt -
doch eines Tages, was nicht oft
geschieht,
kam vor die Nase ihm das
Ungetüm!
Und als ihn dieser große Berg aus
Müll
so richtig angestunken hatte -
ach!
Da hatte er die Nase voll von
ihm!-
Anmerkung: Es ist doch eine wahre Freude, sowas mal im Internet zu veröffentlichen... ;-)
Der bessere Weg
Die Pathétique
ist geschrieben:
Weswegen soll der Mensch
noch Weltschmerz fühlen-?
Der Vietnamkrieg
ist vorbei:
Wogegen soll der Mensch
noch streiten-?
Wir haben
dazu gelernt:
Fröhliche Anpassung
ist der bessere Weg!-
Die Mücke
und die Fliege
Die Mücke fliegt,
damit sie sticht.
Ich lieg' im Bett
und find's nicht nett.
Doch irgendwie
versteh' ich sie
(wenn sie zum Schluss
auch sterben muss).
Die Fliege fliegt
ins Lampenlicht,
fliegt wild herum
mit viel Gebrumm.
Die ist nur dumm:
Ich bring' sie um,
obwohl sie gut
und mir nichts tut!-
10.6.12
Materialien zur Entwicklung
der kürzesten Gedichtform der Welt
(nach Robert Gernhardt)
OFFEN HEIT
GEGENW ARTSBEZUG
JAHRESZE ITENWORT
KONKRETHEIT
ANDEUTUNG
FORMLOSIGKEIT
B ANALITÄT
NEBELBILD
GEISTESARMUT
SCHAUMSCHLÄGEREI
25./27.4.12
die ihren Sohn
nicht las
und
nicht verstand.
Sie hatte
viel
verstanden!
26.5.12
Anmerkung: Nietzsche wendet sich in seiner Schrift „Götzendämmerung“ gegen dieses Bibelwort. Seine Mutter hingegen, „Pfarrfrau“ von eher schlichter Frömmigkeit, soll es oft zitiert haben. Hochinteressantes zum Thema "Nietzsche & Mutter" (resp. Schwester) fand ich bei der Suche nach dem einmaligen Foto s. o. hier. Gottfried Benn nannte Nietzsche übrigens ein "großes Weltgenie". Erich Kästner freilich konnte sich des nachsichtigen Spottes (auch) nicht ganz enthalten und schrieb ein Epigramm zum Thema (er konnte das noch...):
Nietzsche
Sein Porträt
Keiner vor ihm, noch hinterher
warf je sein hüstelndes Gehirn
so stolz in die Brust wie er.
Zur Hälfte Schnurrbart, zur Hälfte Stirn -
er hatte es schwer. ;-)
Vom Umgang
mit dem Schweigen
1.) Das Schweigen
als Gast
Wie willst du
Schweigen
eintreten
lassen,
wenn es dir
im Grunde
nicht
willkommen ist?
Wer Schweigen
eintreten
lassen will,
muss es auch
herein
lassen.
Lass Schweigen
eintreten!
Mach ihm
die Tür auf!
2.) Das Schweigen
als Freund
Lass Schweigen
eintreten!
Mach ihm
die Tür auf!
Immer
wieder.
Sonst tritt es
die Tür
dir irgendwann
ein.
13.5.12
„Kunst-Religion“
(nach 1 Kor 13,13)
Dafür leben
zu müssen,
das glauben
sie alle;
davon leben
zu können,
das hoffen
sie alle;
damit
zu leben,
das lieben
sie alle!-
7./9./12.4.12
Es
Als Kunstwerk
muss es
nicht beginnen,
wenn es
nur beginnt.
Als Kunstwerk
soll es
auch nicht enden:
Es soll
überstehn!
Dann wird es
zwischendrinnen,
wenn sonst
Kunstwerke
vorüber sind,
von selbst
sich wenden
und
als Kunstwerk
weitergehn!-
23.3.12
deine Hand
und ich
deine Hand
in die Hand
nehmen
die Schmalheit
deiner Hand
nachzeichnen
die Linien
deiner Hand
nachziehen
die Länge
jedes Fingers
und Fingernagels
begutachten
die Gelenke
auf ihre
Tauglichkeit
prüfen
deine Hand
streicheln
und vorsichtig
drücken
dir deine Hand
zurückgeben
18.2.12
Autsch -
Die späte Karriere
eines grünen Autors
(nach „Duden -
Das große Fremdwörterbuch“,
Mannheim 2007)
Autor werden wollen
als Tor gelten
sich autodidaktisch fortbilden
sich outen (kein Zweckoptimist)
out sein (nur Zweckoptimisten)
Outcast / Outlaw / Outsider
nicht Auto fahren
authentisch sein
Autisten ähnlich werden
autogenes Training machen
doch Auto fahren
autonom werden
Output erhöhen
Autographe anhäufen
gegen Automaten kämpfen
Autodafé befürchten
Autobiographie schreiben
Burnout - Autopsie
nie autark gewesen
nie Autogramme gegeben
australisches Outback verbrennt
Autorität gewinnen
nicht mehr als Tor gelten
äußerst anerkannter Autor sein
26./27./28.2.12
Anmerkung: Nochmal verändert. Puh. Jedes Gedicht ist heikel und kann misslingen. Es gibt keine anderen. Aber das ist auch das Spannende. Man fängt immer wieder bei Null an. Die Poesie muss immer wieder neu erfunden werden Das ist wie Integralrechnung.
Zu dieser steilen These Wikipedia: "Im Gegensatz zur Differentiation existiert für die Integration auch elementarer Funktionen kein einfacher und kein alle Fälle
abdeckender Algorithmus. Integration erfordert trainiertes Raten, Benutzung spezieller Umformungen (Integration durch Substitution, partielle Integration), Nachschlagen in einer Integraltafel oder
Benutzung spezieller Computer-Software. Oft erfolgt die Integration nur näherungsweise mittels so genannter numerischer Quadratur."
Wahrhaftig, so ist es. Kommt mir sehr bekannt vor.
Zeugungstag
(Yucatan,
vor 65
Jahrmillionen)
Es liegt nun
schon einige
Jahre
zurück,
doch vergessen
ist nichts:
Ein Komet
hat ein Date
mit der Erde
gehabt.
Da hat es
nach zahlreichen
Toten
und etlichen
Übungs-
einheiten
zuletzt
mit der Zeugung
des Menschen
geklappt.
In welcher
Arena
(und wie?)
wird der Nächste
gezeugt,
der den Himmel
entweiht
und die Schätze
der Erde
verknappt-?
2.2.12
Gedanke
des Tages
Ich habe heute
den ganzen Tag
noch keinen
größeren
Gedanken gehabt -
nichts, was mich
erlöste...
Aber jetzt
sitze ich dir
gegenüber,
schaue dir lang
in die Augen -
und da ist er:
der größte-!
22.2.12
Schale sein
Wir sollen Schale sein
und nicht Kanal,
dass wir nicht alles
weitergießen,
dass wir nicht leer werden
mit einem Mal
und wir nicht aus-, nur
überfließen.
Wir sollen Schale sein
und nicht Kanal,
dass wir empfangen
auch und hören,
dass wir nicht arm werden
und schwach und schmal
und wir uns gebend
nicht entleeren.
Wir werden nicht
der großen Quelle gleich,
wenn wir Kanal
sind, nur als Schale
bewahren wir
die Fülle, bleiben reich
und werden mehr
mit jedem Male!-
4.2.12
Anmerkung: Weil es schon lange angefangen herumlag, habe ich heute dieses "Kirchenlied" zuendegeführt, das auf einem zeitlosen und mich berührenden Text aus dem 12. Jahrhundert beruht, der da im Wesentlichen lautet:
"Wenn du vernünftig bist, erweise dich als Schale und nicht als Kanal, der fast gleichzeitig empfängt und weitergibt, während jene wartet, bis sie erfüllt ist. Auf diese Weise gibt sie das, was bei ihr überfließt, ohne eigenen Schaden weiter, denn sie weiß, dass der verflucht ist, der seinen Teil verringert... Wir haben heutzutage viele Kanäle in der Kirche, aber sehr wenige Schalen. Diejenigen, duch die uns die himmlichen Ströme zufließen, haben eine so große Liebe, dass sie lieber ausgießen wollen, als dass ihnen eingegossen wird, dass sie lieber sprechen als hören, dass sie bereit sind zu lehren, was sie nicht gelernt haben und sich als Vorsteher über die anderen aufspielen, während sie selbst nicht regieren können... Lerne auch du, nur aus der Fülle auszugießen, und habe nicht den Wunsch, freigebiger als Gott zu sein. Die Schale ahmt die Quelle nach. Erst wenn sie mit Wasser gesättigt ist, strömt sie zum Fluss, wird sie zur See. Die Schale schämt sich nicht, nicht überströmender zu sein als die Quelle... Du tue das Gleiche! Zuerst anfüllen und dann ausgießen. Die gütige und kluge Liebe ist gewohnt überzuströmen, nicht auszuströmen... Ich möchte nicht reich werden, wenn du dabei leer wirst. Wenn du nämlich mit dir selber schlecht umgehst, wem bist du dann gut? Wenn du kannst, hilf mir aus deiner Fülle; wenn nicht, schone dich."
Bernhard v. Clairvaux (1090-1153)
Reise durchs Sternbild der Liebe
Er ergab sich ihr WIDDERstandslos.
Sie war STIERisch gut drauf.
Ihre ZWILLINGsnaturen
KREBSten nicht herum. Sie hatten einen Lauf.
Gut gebrüllt, LÖWE!
Man war aus der JUNGFRAUenzeit schon heraus.
Wie schön hielt sich alles die WAAGE!
Der SKORPION fuhr langsam seinen Stachel aus.
Das SCHÜTZEnfest begann.
Sie kannten den STEINBOCK der Liebe genau.
Sie nannte ihn den Großen WASSERMANN,
doch war er nur ein kleiner FISCH in einer Frau.
2./3.2.12

Frage an sein Übertier
Bist du Hund
Nun oder Katz'?
Oder "und"?
Komm, sag's mir, Schatz!
Oder knurr's
Wie ein Wauwau
Oder schnurr's
Und mach miau!
27.1.12
Was seine K.
nicht sagt
Ich bin
die Schöne
mit der Tatze.
Du kannst
nie wissen,
ob ich streichle
oder kratze.
Ich lass'
dich glauben,
du seist
Herr am Platze.
In Wirklichkeit
bist du
das Haustier
deiner
Miezekatze-!
28.1.12
Was das hat
Das hat was.
Jawohl.
Das hat
wirklich was.
Irgendwas
wird das
schon haben.
Bleibt nur noch
zu fragen:
Was hat das?
Was ist's,
das das hat?
Hat das
doch nichts-?
Jetzt hab' ich's:
Das hat was,
"das hat was"
zu sagen!
10./13.12.11
Anmerkung: Jetzt weiß jeder, was es damit auf sich hat. Die Beantwortung dieser Frage war schon lange überfällig!
Weiterungen
Ich weiterte mein Ich
um dich,
du weitertest dein Ich
um mich.
Doch weitert unser Ich
noch immer sich
(es ist ein rätselhaftes Tier):
Verheißungsvoll liegt zwischen dir
und mir -
das WIR!
19./24.11.11
Anmerkungen: Ich habe in diesem Gedicht besonders versucht, die mich in (sog. modernen) Gedichten oft störende erschlagende Überfülle von Bildern - bis auf eine Ausnahme - durch größte Ökonomie in der Wortwahl zu ersetzen. Ich habe versucht, den Klang und die (fast) unendlichen Möglichkeiten der deutschen Syntax wie ein Musiker "auszuhören" und mit dieser meditativen Beschäftigung längere Zeit hingebracht. Ich hoffe, der Versuch ist gelungen.
Der Titel ist an H. M. Enzensberger angelehnt, auf dessen Gedicht sich mein Text ansonsten nicht bezieht.
Anton G. Leitners
Berufe
Er hat viele Berufe:
Zuckerfabrikant,
Bäcker,
Winzer,
Lampenhersteller.
Er ließ Gedichte drucken
als Überlebensmittel
auf Feinzuckertütchen,
als Grunderfahrungsmittel
auf Brötchentüten,
als Antiverdrussmittel
auf Weinetiketten,
als Erleuchtungsmittel
auf Lampenschirme.
Weil Gedichte
das Leben
versüßen,
die Seele
sättigen,
das Bewusstsein
erweitern
und den Geist
erleuchten!
15./16.10.11
Anmerkung: Anton G. Leitner, deutscher Schriftsteller und Verleger, ist Herausgeber der Zeitschrift "DAS GEDICHT".
Sie ist schön
(und weiß es)
Sie ist schön,
ist wunderschön -
so schön,
dass man es
fast verbieten
müsste.
Doch sie wäre
noch ein wenig
schöner,
wenn sie es
nicht so gut
wüsste-!
22.10.11
Wortergreifung
Ach! Ich ergreife das Wort,
und das Wort ergreift mich.
Und Besitz von mir.
Ich bin ergriffen:
Ganz ohne Ergreifungsgesetze
erschlich es
die Macht über mich!
Doch ich klage nicht.
Besser die Macht über mich
als die Flucht vor mir,
die es so gern
zu ergreifen beliebt.
Seiner ohnmächtig
habe ich stets
augenblicklich begriffen,
wie sehr ich es liebe,
ergriffen zu werden
von SEINER Gewalt!
13.9.11
Anmerkung: Ähnlichkeiten mit Wortprägungen historischer Personen und realen Handlungen aus einer dunklen deutschen Epoche sind rein unzufällig.
Vom Glauben
und vom Vertrauen
Wer nichts weiß,
der weiß nichts.
Aber man muss
sehr viel kennen,
um zu wissen,
dass man nichts wissen kann.
Die einander
nicht kennen,
die schweigen sich an.
Aber man muss
sehr viel miteinander
geredet haben,
um zusammen
schweigen zu können!
30.8./1.9.11
Luther heute
„Ich stehe für nichts.
Ich kann auch anders.
Ich helfe mir selbst.
Halleluja!“
22.8.11
Koloskopie
Die Spiegelung war kein Vergnügen:
Ich musste mich so sehr entleeren,
wie ich es sonst mit Grund vermeide,
selbst wenn die Verse süßer wären.
Die Reise in mein Innenleben
als solche war nicht zu verachten.
Man muss das mal erfahren haben,
sich selbst von innen zu betrachten!
Ich sah ein Weltall, einen Kosmos,
mir kamen riesige Gedanken!
Nur die verdammten Schwarzen Löcher,
an denen kann ich noch erkranken.
Und was war das? "Polypenstümpfe"?
Der Arzt entnahm ein Stück Gewebe:
"Wir lassen das mal untersuchen."
Na ja, noch scheint es, dass ich lebe.
Auch soll man nicht den Helden spielen:
Es gibt doch weniger Theater,
man schläft bei alledem und hat dann
im Bett nicht Beckenbodenkater.
Im Ganzen war es ein Erlebnis:
In mir sind wahre Universen -
doch nun beweis' ich meinen Reichtum
mir vorerst wieder gern in Versen!
7.8.11
Der Klimawandel
und die Leute
Es gibt keinen
Klimawandel
sagen die Ignoranten
Es gab schon immer
Klimawandel
sagen die Relativisten
Mich wird
der Klimawandel
nicht mehr betreffen
sagen die Egoisten
Der Mensch ist nicht schuld
am Klimawandel
sagen die falschen
Humanisten
Der Klimawandel
hat auch sein Gutes
sagen die Zweckoptimisten
Der Klimawandel
ist der Klimawandel
ist der Klimawandel
sagen jene,
die versuchen,
die Wahrheit
zu erkennen
18.7.11
Das Ding
Er tat sein Bestes,
doch sein Bestes
war nie gut genug.
Jetzt tut
er einfach nur
sein Ding.
Und plötzlich
ist es gut!
6.9.10
Anmerkung: Angeregt durch folgendes Zitat: "Ich bin keiner, der dazu taugt, an die Spitze irgendeiner Partei gestellt zu werden, denn ich muss meinen Weg allein und in Frieden gehen und hab' ihn auch nie mit einem anderen gekreuzt." (Johannes Brahms in seinem Todesjahr 1897)
Den Leuten
Er hielt
den Leuten
einfach nur
den Spiegel
vor.
Keiner
sollte sagen,
dass er ihnen
Vorhaltungen
machte!
23.8.10
Vom Lesen
Warum ist es wichtig lesen zu können?
Ohne lesen zu können,
bekommt man schlecht Arbeit,
man kann nicht einkaufen
oder nur Produkte kaufen,
die man schon kennt;
man kann die Straßennamen nicht erkennen,
Formulare nicht ausfüllen,
keine Geschäftsbriefe lesen
und Fahrplane nicht entschlüsseln.
Namen und Adressen
muss man sich immer merken;
Restaurantbesuche
und Eissorten auswählen
sind nur mit lesender Begleitung möglich.
Rezepte und Waschzettel
bleiben ein Geheimnis -
man ist stets auf Hilfe angewiesen!
Warum aber ist es wichtig zu lesen?
Es ist wichtig zu lesen,
damit die Arbeit,
das Einkaufen
und die Produkte
nicht alles sind;
damit das Leben sich nicht
in Straßennamen,
Formularen
Geschäftsbriefen
und Fahrplänen,
in Namen und Adressen
erschöpft;
damit Restaurantbesuche
und Eissorten
nicht die einzigen Genüsse bleiben
und damit es Geheimnisse gibt,
die über Rezepte und Waschzettel
hinausgehen!
4.1.11
Geht doch!
Solange
Verse
unverständlich
klingen müssen,
will kein Mensch
was von ihnen
wissen -
und das ist auch
verständlich.
(Na endlich-!)
29.5.11
wird fortgesetzt